Finanzideen Berlin

Klassifizierungssysteme nachhaltiger Geldanlagen

Die Klassifizierungssysteme nachhaltiger Geldanlagen sind wesentliche Instrumente, um Investitionen nach ökologischen, sozialen und Governance-Kriterien (ESG) zu strukturieren und zu bewerten.

“ESG” (“Environment”, “Social” und “Governance”) beschreibt die Berücksichtigung von Umwelt-, sozialen Kriterien sowie Aspekten der Unternehmensführung bei Investitionsentscheidungen.

E wie Environment

steht für Umweltverträglichkeit. Hierzu zählen alle Kriterien, an denen gemessen werden soll, ob die Unternehmenstätigkeit schädlich oder nützlich für eine gesunde Umwelt ist. In dieses Thema spielen Fragen des CO2-Ausstoßes ebenso wie die nach Klimawandel, Umweltverschmutzung und Abfall, Ressourcenknappheit, Urbanisierung, Gewässerschutz, Artenschutz, Abfallentsorgung, Kreislaufwirtschaft uvm.

S wie Social

steht für soziale Faktoren. Hier geht es um Fragen der menschlichen und sozialen Interaktion des Unternehmens mit seinen Mitarbeitern (z.B. Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit, Chancengleichheit, Kinderarbeit oder Datenschutz), den Gemeinschaften, in denen es tätig ist (z.B. Splittermunition) und mit öffentlichen Stellen (z.B. Korruption).

G wie Governance

steht für die Unternehmensführung. Hier geht es um die Prozesse im Unternehmen und dessen Leitung. Hierzu zählen Themen wie Unternehmensethik, solide Managementstrukturen, Rechte der Minderheitsaktionäre, Bilanzierungspraktiken, Mangementvergütung, faire Steuerzahlungen. Bei der Beurteilung von Investitionen in Staaten geht es um die Staatsführung (z.B. Demokratie, Todesstrafe).

ESG ist also keine konkrete Investmentstrategie. Es ist vielmehr der kleinste gemeinsame Nenner zur Bewertung der unternehmerischen Tät ein Werkzeug, um zusätzliche Informationen über Unternehmen zu erhalten.

Verschiedene Organisationen und Regulierungen haben Systeme entwickelt, um nachhaltige Investments zu kategorisieren und zu standardisieren. Im Folgenden werden die Klassifizierungssysteme des Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), die regulatorischen Anforderungen der MiFID II sowie das System von Eurosif strukturiert und beschrieben.

Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG)

Das  “Forum Nachhaltige Geldanlagen”, der Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen im deutschsprachigen Raum, unterscheidet die folgenden Strategien. In der Praxis werden häufig mehrere Anlagestrategien miteinander kombiniert:

Der äußerst wirkungsvolle Ansatz des Engagements rangiert erfreulicherweise an zweiter Stelle der beliebtesten nachhaltigen Anlagestrategien. Dabei handelt es sich um den aktiven und langfristigen Austausch von Investor:innen mit dem Unternehmen und dem Ziel, die Unternehmensführung dazu zu bewegen, soziale, ethische und ökologische Kriterien zu berücksichtigen (Voice). Diese Strategie umfasst auch die Ausübung von Stimmrechten, Auskunftsrechten und das Einreichen entsprechender Anträge auf Hauptversammlungen (Vote). Durch diese gezielten Maßnahmen können Investor:innen direkte Veränderungen bewirken und zur nachhaltigen Ausrichtung des Unternehmens beitragen.

Zu den beliebtesten nachhaltigen Anlagestrategien gehörten 2023 Ausschlusskriterien mit folgender Top-Ten-Gewichtung (FNG-Jahresbericht 2024):

1. ABC-Waffen

2. Streubomben und Anti-Personen-Minen

3. Verstöße gegen Menschenrechte

4. Fossile Energieträger/ Kohle

5. Verstöße gegen Arbeitsrechte

6. Verstöße gegen Umweltgesetze/-zerstörung

7. Korruption/ Bestechung

8. Tabak

9. Kernenergie

10. Sämtliche Waffen

MiFID II ((Markets in Financial Instruments Directive II)

MiFID II ist eine europäische Richtlinie, die den Finanzmarkt reguliert und seit 2022 auch Nachhaltigkeitspräferenzen in die Anlageberatung einbezieht. Die Richtlinie schreibt vor, dass Finanzberater die ESG-Präferenzen ihrer Kunden erfragen und diese bei der Produktauswahl berücksichtigen müssen. Darüber definiert MiFID II Nachhaltigkeitsmerkmale von Finanzinstrumenten, die Anleger*innen mit Nachhaltigkeitspräferenz angeboten werden dürfen.

Es dürfen Anleger*innen nur Produkte empfohlen werden, die ihren “Nachhaltigkeitspräferenzen” entsprechen, sofern sie welche angegeben haben. Eine Pflicht, in nachhaltige Produkte zu investieren, besteht nicht. Jeder (Privat-)Anleger ist nach wie vor frei in der Entscheidung, ob und ggf. inwiefern nachhaltige Produkte in der Anlageberatung berücksichtigt werden sollen.

Geeignet im Sinne der MiFID II sind Finanzprodukte mit folgenden Eigenschaften:

a) Mindestanteil ökologisch nachhaltiger Investitionen im Sinne der EU-Taxonomieverordnung (Bewertungssystem für Nachhaltigkeitseigenschaften von Wirtschaftstätigkeiten)

Die Taxonomieverordnung definiert die folgenden sechs Umweltziele:

Um im Sinne des Taxonomieverordnung als ökologisch nachhaltig zu gelten, müssen Wirtschaftsaktivitäten in einem dieser sechs Umweltziele einen deutlich positiven Effekt erreichen. Gleichzeitig dürfen sie keine erheblichen Beeinträchtigungen auf die anderen fünf Umweltziele haben (sogenanntes DNSH-Prinzip [„Do No Significant Harm“]).

Zudem müssen Mindestanforderungen in sozialen Bereichen oder bei den Menschenrechten erfüllt werden.

Bislang liegen nur für einige Umweltziele die Spezifikationen vor, die von technischen Expertengruppen mit detaillierten Beschreibungen und Grenzwerten pro Wirtschaftsaktivität entwickelt wurden. Zum Beispiel wird im Detail erläutert, welche CO2-Grenzwerte eingehalten werden müssen. Durch diesen derzeitigen Fokus wird nur ein kleiner Teil aller Realwirtschaftstätigkeit von der Taxonomie erfasst.

Schrittweise werden die Spezifikationen auch für die anderen Umweltziele definiert werden, so dass die Taxonomieverordnung perspektivisch europäischer Standard für nachhaltige Investitionen werden wird.

b) Mindestanteil nachhaltiger Investitionen im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung OffVO (= Sustainable Finance Disclosure Regulation, „SFRD“)

Produktanbieter und Finanzberater sind verpflichtet, bestimmte Informationen zu ihrem Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken und negativen Nachhaltigkeitsauswirkungen ihrer Investitionen zu veröffentlichen:

Artikel 8-Produkte: Diese Produkte integrieren ESG-Kriterien in ihre Anlagepolitik und bewerben soziale und/oder ökologische Ziele und werden mitunter als „hellgrün“ bezeichnet.

Artikel 9-Produkte: Diese Produkte verfolgen ein angestrebtes Nachhaltigkeitsziel (z.B. Reduktion von CO2-Emissionen) und werden mitunter als „dunkelgrün“ oder gar „Impact-Produkt“ bezeichnet.

Die Artikel-8- und -9-Kategorisierung wird mitunter als Marketinginstrument und als quasi-offizielle Nachhaltigkeitsbewertung eingesetzt. Mangels detaillierter, einheitlicher Kriterien für die Einstufung von Fonds in Artikel 8 oder 9 bleibt es den Fondsanbietern überlassen, wie sie ESG-Kriterien interpretieren und anwenden. Folglich sind weitere Produktinformationen erforderlich, um die Nachhaltigkeitsleistung der Produkte zu bewerten.

c) Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (= Principle Adverse Impacts; “PAI“)

Anhand von verpflichtenden PAI-Indikatoren für Investitionen in Unternehmen kann gemessen werden, inwieweit sich die Tätigkeiten von Emittenten negativ auf Nachhaltigkeitsfaktoren auswirken. Die folgenden Indikatoren werden seit Januar 2023 von den meisten Produktanbietern geliefert und können von Anleger*innen als Kriterien für nachhaltige Finanzprodukte ausgewählt werden:

Das Ziel der EU-Offenlegungsverordnung, Anleger durch erweiterte nachhaltigkeitsbezogene Informationen bei ihren Investitionsentscheidungen zu unterstützen, wurde nach Meinung zahlreicher Marktteilnehmer bisher nicht optimal erreicht. Kritisiert werden u.a. die Verwendung der SFDR als Labelling- und Marketing-Werkzeug, ungenügende Nützlichkeit von Informationen für Anleger und mangelnde Klarheit von Konzepten (z. B. nachhaltige Investitionen), Rechtsunsicherheit sowie Risiken von Greenwashing. Im Anschluss an eine bis Mitte Dezember 2023 durchgeführte Konsultation wird die SFDR aktuell durch die EU-Kommission überprüft. Es wäre wünschenswert, wenn künftig zwischen ESG-Produkten (Berücksichtigung von ESG-Risiken und -Chancen), Sustainability Focused Products (Investition in Titel, die bereits nachhaltig sind) und Finanzprodukten differenziert werden würde, die in Titel investieren, die sich in Richtung Nachhaltigkeit transformieren (sog. Transition Products).

Eurosif-Methodik für nachhaltigkeitsbezogene Investitionen

Das Klassifizierungssystem des European Sustainable Investment Forum (Eurosif), der Universität Hamburg und A.I.R. stellt den Beitrag von Finanzprodukten zur nachhaltigen Transition der Realwirtschaft in den Mittelpunkt und befasst sich mit den zentralen Fragen, die im Zusammenhang mit nachhaltigen Geldanlagen immer wieder aufkommen: Können nachhaltige Investments nachweislich positive ökologische und soziale Effekte erzielen? Was zeichnet ein nachhaltiges Investment aus, das tatsächliche Veränderungen in der Realwirtschaft bewirkt? Diese Fragen zielen darauf ab, mehr Klarheit und Transparenz über das Ambitionsniveau von Investitionen zu schaffen und klarer zwischen Artikel 9-Produkten und Impact Investments zu differenzieren.

Im Wesentlichen werden folgende Investmentstrategie unterschieden:

a) Ausschlüsse (Werte-Fokus): Ausschluss von Branchen, Produkten/ Dienstleistungen oder Normverstößen

b) Berücksichtigung von ESG-Risiken oder -Chancen. ESG-Integration, Negativ- und Positivkriterien bei der Titelauswahl

c) Impact-Fokus: Unterstützung einer nachhaltigen Transition der Realwirtschaft

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